Frieden auf Erden by Stanislaw Lem

Frieden auf Erden by Stanislaw Lem

Autor:Stanislaw Lem [Lem, Stanislaw]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Belletristik (st), Science Fiction (st)
ISBN: 9783458165873
Herausgeber: Suhrkamp
veröffentlicht: 2011-11-22T23:00:00+00:00


VI. Der zweite Gang

Ausgeruht wachte ich auf und erinnerte mich sogleich wieder der Ereignisse vom Vortage. Nach einer anständigen Dusche kann ich immer am besten denken, daher hatte ich darauf bestanden, ein Bad mit fließendem Wasser an Bord zu haben, nicht die feuchten Handtücher, die nur kläglicher Ersatz für eine Wanne sind. Von einer solchen konnte keine Rede sein; der Baderaum war groß wie ein Faß, auf der einen Seite sprühte das Wasser hervor, auf der anderen wurde es von einem starken Luftstrom abgesaugt. Im Zustand der Schwerelosigkeit legt sich das Wasser in einer zunehmenden Schicht über Körper und Gesicht, ich mußte, um nicht bei meinen Waschungen zu ersticken, zuvor die Sauerstoffmaske aufsetzen. Das war reichlich mühsam, aber lieber eine solche Dusche als gar keine. Es ist ja bekannt, daß damals, als die Ingenieure den Bau von Raketen schon im kleinen Finger hatten, die Astronauten immer noch von Havarien der Klosetts geplagt wurden. Der technische Erfindergeist mußte sich lange anstrengen, ehe er eine Lösung fand. Die Anatomie des Menschen paßt nur unglücklich auf kosmische Verhältnisse. Diese harte Nuß bereitete den Astrotechnikern schlaflose Nächte, machte den Verfassern von Sciencefiction-Storys aber überhaupt nichts aus, denn als erhabene Geister übergingen sie sie einfach mit Schweigen. Mit dem kleineren Bedürfnis war es ja halb so schlimm, zumindest bei Männern … Das größere jedoch wurde erst durch entsprechend programmierte Computer glücklich gelöst: durch die sogenannten Defäkatoren, die nur die schwache Seite haben, daß sie kaputtgehen. Dann entsteht eine dramatische Situation, in der jeder sich helfen muß, so gut er kann. In meinem lunaren Modul immerhin war er der einzige Computer, der bis zuletzt arbeitete wie eine Schweizer Uhr, wenn eine so rühmliche Metapher in diesem Zusammenhang erlaubt ist.

Gewaschen und erfrischt, trank ich Kaffee aus einer birnenförmigen Plastikflasche und kaute Rührkuchen mit Rosinen. Ich hielt die Finger dazu unter den Saugtrichter eines auf volle Stärke eingestellten Ventilators, denn lieber sollte mir der Luftstrom die Krumen von den Fingern reißen, als daß ich mich an einer Rosine verschlucken und ersticken wollte. Ich gehöre nicht zu denen, die aus beliebigsten Gründen auf eine Gewohnheit verzichten. Gehörig gestärkt, setzte ich mich vor den Selenografen und betrachtete den Globus des simulierten Mondes, um meinen Gedanken nachzuhängen mit dem angenehmen Gefühl, daß mir niemand aufdringliche Ratschläge erteilt. Ich hatte der Zentrale nämlich nichts von meinem Erwachen gemeldet, und so glaubte man dort, ich schlafe noch.

Das Phänomen mit dem Spiegel und das nackte Mädchen bildeten unweigerlich zwei Phasen der Diagnose, WER da gelandet war, und beides hatte wohl den Veranstalter dieses Empfangs zufriedengestellt, wer oder was immer er auch war. Andernfalls hätte ich nachher nicht durch den Flamsteed streunen können, ohne irregeführt oder angegriffen zu werden. Das Fußeisen jedoch, das sich als Mine entpuppt hatte, paßte überhaupt nicht in dieses Bild. Einerseits die große Mühe, Trugbilder im Niemandsland hervorzurufen, aus der Entfernung zu agieren, weil das die Unverletzlichkeit dieses Geländes verlangte, andererseits aber Minenfallen dort einzugraben – das sah gerade so aus, als stünde ich gegen eine Armee, die mit Fernwarnradar und zugleich mit Streitkolben ausgerüstet war.



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